Caritas-„Türöffner“ spüren im Alb-Donau-Kreis nicht gelistete Immobilien in der Region auf, die an Menschen in schwierigen Lebenssituationen vermittelt werden. Es gibt erste Erfolge, unter anderem in Ehingen.
Dass die Not in Sachen Wohnraum in der Region groß ist, wusste Magdalena Tewes schon. „Aber wie groß die Verzweiflung ist, hat mich überrascht“, sagt die Sozialpädagogin. Seit Mai ist die 35-Jährige hauptamtliche Koordinatorin der Wohnrauminitiative „Türöffner“ der Caritas Ulm/Alb-Donau, die Vermieter und Menschen in Not zusammenbringen soll. Auch in Ehingen gibt es eine Sprechstunde (wir berichteten). Tewes muss sich vor Anfragen von ehrenamtlichen Helfern und Wohnungssuchenden gerade-zu retten und diese an die Kommunen verweisen, „die ja eigentlich zuständig und leider absolut überfordert sind“. Ihre Aufgabe liegt nicht darin, Mieter zu finden, denn über die Caritas-Beratungsstellen ist die Warteliste an Wohnungssuchenden in schwierigen Lebenssituationen schon lange voll. Sondern Tewes sucht Wohnraum, der nicht öffentlich ausgeschrieben ist.
Seit September ist Kollege Dennis Baumann an ihrer Seite, um etwa die alleinstehende Oma anzusprechen, die noch eine nicht vermietete Einliegerwohnung hat. Auch Erbengemeinschaften eines Hauses können interessant sein. Wem es bei einer Vermietung nur um die Einnahmen geht, der wird mit dem Projekt nichts anfangen können. Denn die Bedürftigen leben in den meisten Fällen von staatlichen Leistungen und müssen günstig untergebracht werden.
„Wir sprechen Eigentümer an, die vielleicht schon mal schlechte Erfahrungen mit einer Vermietung gemacht haben, und versuchen sie davon zu überzeugen, mit sozialpädagogischer Betreuung das Wagnis nochmal anzugehen.“ In einer offenen Sprechstunde bekommen die möglichen Vermieter Beratung in Vertragsfragen, erfahren unter anderem, dass die Miete auch direkt über das Jobcenter überwiesen werden kann, oder dass sie beispielsweise für 50 Euro weniger im Monat auch den Rasengemäht bekommen könnten oder die Mieter beim Einkauf helfen könnten.
Rasen mähen für weniger Miete
Tewes besucht vorab jeden potenziellen Mieter. „Wir schauen, wie diese Leute bisher leben, dass es keine Messies sind, und prüfen auch den Schufa-Eintrag. “Das Vertrauen, das viele Menschen in den kirchlichen Wohlfahrtsverband haben, solle nicht enttäuscht werden. Bürgen kann die Caritas für die Mieter freilich nicht, sie verspricht aber „gute Mieter“, mit denen man sich auf Deutsch verständigen kann.
Bei „Türöffner“ gibt es zwar ein Belegungskonzept, in dem die dringendsten Fälle ganz oben stehen – etwa wenn eine Familie aus einer schimmeligen Wohnung raus muss oder Obdachlosigkeit droht. Doch die Vermieter können sich trotzdem nach Sympathie entscheiden und potenzielle Mieter in aller Ruhe kennen lernen. „Auch zwei oder drei Treffen sind möglich“, sagt Tewes. Sind die Wunschkandidaten gefunden, wird ein Kooperationsvertrag unterschrieben. „Das ist unser Bonbon für das soziale Engagement der Vermieter“, sagt Dennis Baumann. Beide Seiten verpflichten sich für ein Jahr zur Kooperation. Dies bedeutet für den Mieter im ersten halben Jahr monatliche Besuche der Sozialpädagogen und Beratung. Die Vermieter haben im ersten Jahr weiter ihren Ansprechpartner*in allen Fragen vom Vertrag bis zu möglichen Lärm-Problemen.
Erste Erfolge im Kreis
Bislang hat die Sozialpädagogin 15 Wohnungen gefunden, allerdings waren manche zu weit weg, nur für ein Jahr verfügbar oder die Mieten-Ansprüche waren zu hoch. Dies hängt auch mit der Zahl der Bewohner zusammen, die einziehen: Bei mehr Menschen kann die Miete höher liegen. Mancher Vermieter habe nach der Beratung auch festgestellt, noch nicht „so weit“ zu sein. Doch es gibt erste Erfolge: „Wir haben in Blaustein eine Dame aus dem Frauenhaus unterbringen können, und in Ehingen eine junge Mama, die in einer Arbeiter-WG gewohnt hat, was für sie das absolut verkehrte Umfeld war“, erzählt Tewes. Bei einer Wohnung in Böfingen stehe der Vertragsabschluss kurz bevor. 10 Vermittlungen im ersten Jahr, 15 pro Folgejahr sind das Ziel.
„Auch in Ehingen, wo wir ein zweites Büro haben, ist mittlerweile eine Kaltmiete von zehn Euro pro Quadratmeter gut zu verlangen“, weiß Tewes um die gestiegenen Mieten. Die künftig bessere Anbindung an Stuttgart dürfte das Problem bekanntlich auch im Kreis verschärfen. Tewes: „Die Preise werden weiter steigen. Bei den Wohnbaugesellschaften gibt es jetzt schon Wartezeiten von einem Jahr. Im Caritas-Frauenhaus sollte die maximale Aufenthaltsdauer ein Jahr sein, aber die Frauen finden einfach keinen anderen Wohnraum und ‘blockieren’ somit die Plätze in dem Haus.“
Gerade weil Geringverdiener bei Wohnungsanzeigen nicht ausgewählt werden, sollen die „Türöffner“ sich für Menschen in oft nichtselbstverschuldeten Notlagen einsetzen. Auch bei der Caritas im Raum Biberach gibt es das Projekt. Wohnungen im Kreis Neu-Ulm vermitteln Tewes und Baumann an die Ökumenische Wohnungslosenhilfe Neu-Ulm.
Sozialpädagogen nach erstem Beruf
Im Mai startete Magdalena Tewes (35) aus Ulm bei der Caritas mit der Wohnraum-Initiative „Türöffner“ für Ulm und den Alb-Donau-Kreis. Die Handelsfachwirtin hängte nach der ersten Karriere noch ein Studium an und wurde Sozialpädagogin. Seit September unterstützt sie Dennis Baumann
(51). Auch er hatte in seinem „ersten Leben“ als Speditionskaufmann einen kaufmännischen Hintergrund, war als Sozialpädagoge für die Caritas viele Jahre in der Schulsozialarbeit.
Das Caritas-Projekt „Türöffner“ ist für drei Jahre angelegt, mit der Option auf zwei weitere. Angedacht ist, dass sich Sponsoren, Städte und Gemeinden, vielleicht auch Vereine, dafür engagieren, die Initiative danach am Leben zu halten. Gelingt dies, könnte die Caritas laut Magdalena Tewes auch als Mieter auftreten und dann zusätzlich Suchtkranke in Wohnungen unterbringen. Die offene Sprechstunde (je 10 bis 12 Uhr: dienstags in der Olgastraße 137, mittwochs in Ehingen in der Hehlestraße 2) des Projekts kann jeder ohne Termin besuchen; Tel. (0731) 20 63 18.